Mit dem Brompton über den Albula- und Klausenpass zu fahren geht erstaunlich einfach, aber man fällt auf. Kaum ein Rennradfahrer, der einen beim Überholen nicht anspricht. Wenn man den Kontakt zu anderen Menschen sucht, sind solche Touren sogar ergiebiger, als mit einem jungen Hund in den Park zu gehen.
Nur – warum soll man sich das antun? Warum nicht ein ordentliches Rennrad nehmen? Die Tour wäre schliesslich einfacher und schneller zu bewältigen. Womit die Antwort eigentlich gegeben ist: In einer schönen Umgebung ist der Weg das Ziel und die Gemütlichkeit das Mittel zum Genuss. Ein ganz persönlicher Grund: Ich muss mich nicht ständig ärgern, wenn mich fast jeder überholt.
Generell sind Alpenpässe besser für kleine Räder geeignet als man glaubt. Man fährt auf Asphalt, die Steigung beträgt selten mehr als 10 % und je nach Wochentag hält sich auch der Verkehr in Grenzen, wenn man den richtigen Pass wählt.
Der Albulapass – ein perfekter Einstieg
Filisur bis Samaden: 40 km, 1’350 m rauf, 700 m runter, 4 h Fahrzeit
Der Albulapass (2’315 m ü.M.) ist ein Klassiker für Radrennfahrer und das nicht ohne Grund: Angenehme Steigung, genügend Brunnen und alle 400 bis 500 Höhenmeter ein Ort zum Rasten oder Flanieren. Die ganze Strecke lässt sich problemlos im Sitzen zurücklegen. Da La Punt im Engadin auf 1790 m liegt, sind zudem nur gut 500 Höhenmeter zu vernichten – ein Bonus für kleine Räder, die schnell heiss laufen.

Je nach Kondition und Jahreszeit kann man in Filisur, Bergün oder auch Preda starten. Alle drei Orte liegen an der Bahnlinie ab Chur. Bergün ist ein idealer Ausgangspunkt für die erste Albula-Tour, denn man spart sich rund 10 km und 350 Hm. Zudem ist der Abschnitt zwischen Filisur und Bergün der unattraktivste und liegt morgens im Schatten. Ab September kann es im Albulatal frühmorgens richtig kalt werden.
Filisur ist trotzdem auch ein guter Ausgangspunkt, da das Dorf mit seinen Engadiner Häusern sehr sehenswert und dank der Umfahrungsstrasse auch ruhig ist. Also nicht gleich losfahren, sondern gemütlich durch den Ort schlendern und die vielen schönen Details anschauen. Ausserdem schmecken Kaffee und Gipfeli in Bergün besser, wenn man sich schon etwas bewegt hat.

Bergün ist auf jeden Fall einen Halt und einen kurzen Besuch wert. Gleich am Ortseingang findet man eine kleine Bäckerei und gut erhaltene herrschaftliche Häuser. Unbedingt die Hauptstrasse durch den Ort einmal hin- und herfahren. Auch die Strasse Sot Tuer (unter dem Brunnen) ein paar Meter entlanggehen.

Die Kehrtunnels der Albulabahn sind ein ingenieurtechnisches Meisterwerk aus dem neunzehnten Jahrhundert. Sie ermöglichen es der Bahn, grosse Höhenunterschiede zu überwinden, indem sie spiralförmig im Berg verlaufen, und so die Steigung der Strecke gering halten. Diese Lösung war entscheidend für die Realisierung der Albulabahn, die zwischen 1898 und 1904 trotz schwieriger geografischer Bedingungen gebaut wurde.

Preda ist im Wesentlichen ein Bahnhof und derzeit eine Grossbaustelle, da gerade ein neuer Tunnel fertiggestellt wurde. Die Ebene vor dem Ort mit dem kleinen Weiler ist dennoch ein schönes Fotomotiv.
Der Palpuogna See gilt als einer der schönsten Bergseen der Schweiz. Türkisfarbiges Wasser, umgeben von Lärchenwäldern und majestätischen Bergen – wo findet man das sonst noch? Entsprechend belebt kann es hier sein. Darum achtet ein Ranger auch darauf, dass nicht gebadet wird. Drohnen sind übrigens auch verboten. https://www.berguen-filisur.graubuenden.ch/de/lai-da-palpuogna

Die Passhöhe: Hier tummeln sich leichte und schwere Jungs. Radfahrer und Motorradfahrer stehen sich auf den Füssen. Ich habe nie ganz verstanden, warum sich die Kerls in den Lederjacken auch vor dem Schild auf der Passhöhe fotografieren lassen.

Die Alp Alesch über La Punt ist ein guter Ort für das Mittagessen. Sie ist – wie so viele Alpbetriebe hierzulande – von Südtirolern geführt. Das garantiert neben einer freundlichen Bedienung auch Tiroler Spezialitäten, die gut zu Höhenmetern passen. Zudem ist es hier höchste Zeit, die Räder und Bremsen kühlen lassen – sonst kann es mit kleinen Rädern gefährlich werden.

La Punt / Chamues-ch ist zumindest im Kernbereich noch ein altes Engadinerdorf mit stattlichen Häusern und Brunnen. Um den Kern herum gibt etwas gar viele stattliche Ferienhäuser aus neuerer Zeit. Trotzdem unbedingt das Dorf abfahren, Chamues-ch ist einer der schönsten Orte im Engadin.

Nach Samaden gibt es drei Wege: Der Kantonsstrasse entlang, welche aber stark befahren ist, dem Inn entlang auf Kieswegen, oder mit einer Steigung von rund 100 Hm auf der anderen Talseite. Ich bevorzuge den Weg dem Inn entlang, der eine einzigartig schöne Landschaft geschaffen hat.

Der Klausenpass – wenn es etwas mehr sein darf
Altdorf (UR) bis Glarus (GL): 70 km, 1’540 m rauf, 1’520 m runter, 5 h Fahrzeit
Einmal im Jahr wird der Pass am Klausen Monument für den motorisierten Verkehr gesperrt. Reichlich Verkehr hat es trotzdem – einfach auf zwei Rädern. Darum unbedingt immer schon rechts bleiben, denn es herrscht auch reger Gegenverkehr.
Der Einstieg: Grundsätzlich kann der Klausenpass von beiden Seiten her erklommen werden – von Altdorf (UR) oder von Linthal (GL). Ich bevorzuge den Start in Altdorf, weil es landschaftlich sehr schön ist, noch ein Stück das Glarnerland hinunterzufahren und erst ab Glarus den Zug zu nehmen.

Für die Rast und das Mittagessen empfiehlt sich das Hotel Klausenpass, ein grosser Holzbau rund 100 m unterhalb der Passhöhe. Sowohl die Käserösti als auch die Älplermagronen sind eine Empfehlung und die 100 hm gehen auch mit schwerer Kost im Magen. Sehr freundliche Bedienung gibts gratis dazu.

Die Serpentinen zwischen Vorfrutt und Jägerbalm sind eine Freude zu fahren – wenn es nicht so nass ist wie heute. Das Gemüt und die heissen Felgen geniessen es, in der einen oder anderen Kurve kurz anzuhalten und sich daran zu erfreuen, was man mit einem Rad und etwas Fitness doch alles Schönes erleben kann.
Der Urnerboden nach den Serpentinen ist eine lang gezogene Hochebene. Man vermutet, dass diese schon in vorgeschichtlicher Zeit genutzt wurde. Ein kurzer Abstecher entlang der Dorfstrasse kostet keine 5 Minuten und hinterlässt ein paar schöne Bilder im Kopfkino.
Linthal: Wenn es so nass und kühl ist wie heute, empfiehlt sich ein Kafi Schnaps im Restaurant am Fusse des Passes in der Kurve zum Bahnhof (nur Bargeld). Der Ort selbst – na ja, es sei denn, man steht auf umgenutzte ehemalige Spinnereien.
Der Fridliweg nach Glarus ist ein gemütlicher Weg entlang der Linth, abseits von befahrenen Strassen und immer mit leichtem Gefälle. Die Gemeinde Glarus Süd ist heute leider strukturschwach, aber zahlreiche Fabriken zeugen von besseren Zeiten, als dank der Wasserkraft eine lebendige Industrie viele Arbeitsplätze bot.

Die leeren Fabriken entlang des Weges sind nicht nur Zeugen vergangener Zeiten, sie haben auch eine wichtige Errungenschaft für die heutige Zeit begründet: Das Fabrikgesetz von 1864 verbot bereits damals Kinderarbeit unter 12 Jahren und setzte erste Standards für Arbeitszeitbeschränkungen und Arbeitssicherheit. Weit entfernt vom heutigen Niveau, aber irgendwo musste man ja anfangen – eben hier im Kanton Glarus.

Die Stadt Glarus ist klein, obwohl sie Kantonshauptstadt ist. Nun, Glarus ist auch ein kleiner Kanton mit nur rund 40’000 Einwohnern. Dieses Bild stammt von einer Landsgemeinde, an welcher die Stimmberechtigten auch auf kantonaler Ebene durch Hochhalten der Stimmrechtsausweise mitbestimmen. Immer am ersten Sonntag im Mai – sehr sehenswert.
Im Jahre 1861 brannte ein grosser Teil des „Fleckens Glarus“ ab und wurde geometrisch wieder aufgebaut. Es lohnt sich, durch die kurzen Gassen zu fahren, denn nur dank einer grossen Welle der Solidarität in der ganzen Schweiz konnte die Stadt in kurzer Zeit wieder aufgebaut werden.
Ganz am Schluss spielt das Brompton seine Stärken nochmals richtig aus. Die Eisenbahn ist bis unters Dach voll mit Fahrrädern. In den Gängen ist kein Durchkommen. Wie schön es da doch in der leeren 1. Klasse ist, mit dem gefalteten Rad hinter dem Sitz.
Fazit
Mit einem geeigneten Faltrad Alpenpässe zu bezwingen, macht nicht nur Spass, es eröffnet auch neue Horizonte für Faltradreisen. Wer die Gewissheit hat, auch solche Steigungen zu meistern, traut sich auf Touren auch grössere Steigungen zu.
Standardmässig ist das Brompton dafür etwas zu lang übersetzt. Mit wenigen, kostengünstigen Modifikationen lässt sich das aber ändern und aus einem normalen Brompton ein perfektes Tourenrad machen.
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