Brompton G-Line Test im Engadin

Das G-Line ist jetzt erhältlich und die Eckdaten klingen verlockend. Falten wie ein bekanntes 16″ Brompton, aber fahren wie ein Gravelbike – daher das „G“ in der Typenbezeichnung. Kann es halten, was es verspricht? Ein Tag im Engadin, einem aussergewöhnlich schönen Hochtal auf 1.800 Metern Höhe, gibt erste Antworten. Das Brompton-G muss im Engadin seine Tauglichkeit auf Kies und Trails beweisen.

Das Engadin ist eine Reise wert. Vor allem im Oktober, wenn die Lärchen vor blauem Himmel leuchten – vorausgesetzt, das Wetter spielt in den zwei kurzen Wochen mit, in denen sich die Nadeln golden färben, aber noch nicht abfallen.

Wir reisen mit dem Zug an, dafür haben wir schliesslich Falträder. Von St. Moritz geht es in der Morgensonne auf der Strasse am See entlang nach Maloja und auf der anderen Seeseite über Trails zurück. Damit ist alles gegeben für einen G-Line Test: Bahntransport, Asphalt, Schotter, Wurzelwege und kurze, aber knackige Anstiege.

Neben einem G-Line wirkt das nicht gerade klein zusammenklappbare Birdy plötzlich kompakt. Im Zug findet auch der voluminöse G-Line problemlos Platz. Im Postbus kann es eng werden – ein Gepäckfach, in das eigentlich mehrere Gepäckstücke passen sollten, wird mit dem G-Line gefüllt.

Die Tauglichkeit des G-Line auf Gravel und Trails

Das G-Line fährt sich wirklich weitgehend wie ein Bike mit normal grossen Rädern. Natürlich kommt es nicht so gut über Wurzeln wie ein Gravelbike mit 29″-Reifen. Aber es reicht und man kann durchaus mit Speed auf Schotter bergab fahren.

Ab und zu muss man am Lenker reissen, um dem Vorderrad über ein Hindernis zu helfen, das Hinterrad folgt dann brav. Auch auf weichem Untergrund fühlt man sich dank der Schwalbe One Reifen sicher. In Kurven folgt das G-Line gutmütig den Kommandos des Fahrers, die Reifen haben genügend Grip und die Bremsen guten Biss.

Auch wenn ein klassisches Brompton erstaunlich viel kann – mit den grösseren Rädern und griffigeren Reifen fährt es sich auf unebenen Wegen entspannter. So kann man auch die Landschaft besser geniessen.

Die Laufräder: Size matters, wie wir alle wissen. Die 20″-Räder mit den breiten Schwalbe G One Allrorund Reifen rollen bei niedrigen Geschwindigkeiten richtig gut, das merkt man besonders auf rauem Untergrund. Auf Asphalt in hohen Gängen singen sie allerdings, das Fahrgefühl wird etwas zäh. Das kann aber auch an der Nabe liegen, die im 7. und 8. Gang nur noch einen Wirkungsgrad von 90% haben soll.

Die Schwalbe G-One Reifen sind ein guter Kompromiss zwischen Laufeigenschaften und Grip. Sie rollen auf Asphalt gut genug, um Spass zu machen, und bieten auch auf sandigem und lehmigem Untergrund genügend Grip.

Die 8-Gang Alfine Nabenschaltung ist leise, hat aber mit nur gut 300% eine deutlich geringere Spreizung als die 3×4 Schaltung mit 380% am klassischen Brompton. Ich habe das G-Line mit einem nicht standardmässig erhältlichen 44er Kettenblatt ausgestattet. Die Entfaltung liegt so bei 1.9 – 5.8 Metern. Damit klettert es gut, aber in der Ebene ist bei 25 km/h Schluss. Um es als Reiserad nutzen zu können, muss ich wohl auf ein 50er Kettenblatt umsteigen, um auf eine reisetaugliche Entfaltung von 2.1 – 6.6 Meter zu kommen.

Der Rahmen ist massiv und entsprechend stabil. Die Scharniere laufen wunderbar leichtgängig und sind wie beim T-Line mit den immer richtig positionierten U-Profilen gesichert. Das Zusammenklappen ist fast so einfach wie beim klassischen Brompton, nur das höhere Gewicht macht sich bemerkbar.

Die Rollen am Gepäckträger ermöglichen es, das gefaltete G-Line auch über längere Strecken zu schieben. Sie rollen sehr gut, fast zu gut. Man muss immer aufpassen, dass das gefaltete G-Line nicht von selbst wegrollt. Zudem sind sie für Gepäckträgertaschen im Weg.

Trotz des wuchtigeren Rahmens und der grösseren Bereifung bleibt das G-Line ein elegantes Faltrad. Der gut integrierte Gepäckträger erlaubt den Transport von zusätzlichem Gepäck, um die 10 kg-Grenze des Frontgepäckträgers nicht zu überschreiten. Vielleicht hätte man die neue Produktlinie besser R-Line genannt – R für Reisen.

Alle diese Vorzüge gibt es natürlich nicht umsonst. Das G-Line ist deutlich sperriger als ein klassisches Brompton. Es passt nicht in alle Gepäckfächer oder zwischen die Sitze im Zug. Die wenigen Zentimeter in jeder der drei Dimensionen machen in der Praxis einen grösseren Unterschied im Handling aus, als die nackten Zahlen vermuten lassen.

Ein erstes Fazit 

Für solche Touren ist das G-Line selbstverständlich die bessere Wahl als ein klassisches Brompton. Tiefer Kies oder feuchter Untergrund – das ist nichts für kleine Räder mit schmalen Strassenreifen, auch wenn sie auf Asphalt besser rollen. Trotzdem möchte ich festhalten: Mit gelegentlichem Schieben komme ich auch mit einem 16″-Brompton über solche Strecken, nur weniger bequem.

Für den täglichen Arbeitsweg würde ich ein G-Line nicht verwenden wollen. Das zusätzliche Gewicht und Volumen machen es eher zu einem Rad, das man gelegentlich zusammenfaltet, als zu einem Rad, das man auf dem Weg zur Arbeit mehrmals in Transportmittel ein- und ausladen muss. Für eine längere Tour, an deren Ende die Rückfahrt mit dem Zug steht, ist das G-Line hingegen gut geeignet.

Das G-Line ist kein Mountainbike und auch kein echtes Gravel-Bike, sondern ein schweres Soft-Gravel-Bike. Es ist ein graveltaugliches Faltrad. Ein Faltrad fürs Grobe. Wofür es auch gebaut wurde.

Womit wir bei der zentralen Frage wären: Wofür ist G-Line eigentlich geeignet? Zum Graveln kauft man besser ein Gravelbike, zum Pendeln ist man mit dem klassischen Brompton viel besser bedient.

Das G-Line eignet sich für alle, die ein universelles Rad mit der Flexibilität eines Faltrades suchen, aber auch Ausflüge abseits befestigter Wege machen wollen – und dabei das hohe Gewicht von fast 15 kg in Kauf nehmen. Um es noch einmal zu sagen: Das Gewicht schränkt das Handling in fast allen Anwendungen ein: Das G-Line hat nicht die Leichtigkeit eines klassischen Brompton und nicht die Agilität eines ausgewachsenen Gravelbikes. Es ist ein Kompromiss zwischen zwei Welten. Wer damit leben kann, kauft mit dem G-Line ein aufregendes Bike.

Ich habe es als Reiserad gekauft. Es fährt sich gut auf langen Etappen und kann auch viel Gepäck tragen. Dafür braucht man jedoch andere Reifen und möglichst auch eine Gangschaltung, die weniger auf den Einsatz in der Stadt ausgelegt ist.

Mit dem G-Line macht Brompton einen spannenden Schritt in Richtung Allround-Faltrad. Ich bin gespannt, wie sich diese Linie weiterentwickeln wird und ob sie den Erwartungen langjähriger Brompton-Fans weiterhin gerecht wird.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es lange dauern wird, bis Brompton eine verbesserte Version auf den Markt bringt. Eine hochwertigere Schaltung und ein geringeres Gewicht würden das G-Line auf ein deutlich höheres Niveau heben – sicher auch preislich.

Also, liebe langjährige Brompton-Fahrerinnen und -Fahrer – ihr habt kein veraltetes oder überholtes Faltrad. Nutzt euer über Jahrzehnte optimiertes Teil so oft wie möglich. Ein Rad, das man immer dabei hat, ist das beste Rad.


Kommentare

4 Antworten zu „Brompton G-Line Test im Engadin“

  1. Hallo,
    eine Frage: war das Birdy rein zufällig auch im Zug? Falls nein und die Strecke mit beiden Rädern gefahren wurde (hoffentlich mit dem obligatorischen Kuchenhalt in Isola!), fände ich einen Vergleich der zwei Klappräder sehr spannend!
    Dank & Gruss!

    1. Avatar von Jacques

      Hallo Philby

      Ja, wir reisen oft gleichzeitig mit Birdy und Brompton. Ich schreibe gerade an einem direkten Vergleich, es fehlen mir aber noch passende Fotos – stay tuned.

      Gruss
      Jacques

      1. Bei allen detaillierten Wattzahlen pro Radgrösse mal Untergrundsrauheitskoeffizient-Berechnungen und freudvollen Rohloff-G-Line Lobpreisungen scheint mir der Vergleich zum – immer neckisch in Bild und Text mit-vorhandenen – Birdy leider etwas in Vergessenheit geraten zu sein. 🙂

        1. Avatar von Jacques
          Jacques

          Hallo Philby, danke für Deinen Kommentar. Das ist tatsächlich so, denn es sind eben G-Line Beiträge. Inzwischen habe ich zur Effizienz kleiner Räder einen generellen Artikel gemacht. Darin sind Widerstände von 16″ und 20″ Rädern abgedeckt. Das Birdy mit 18″ sollte in der Mitte dieser Werte liegen. Ich würde übrigens gerne einen Beitrag zum Birdy veröffentlichen, es ist ein grossartiges Faltrad. Lass mich wissen, wenn Du jemanden kennst, der dazu einen Test machen würde.

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